Persisch und sein Namensstreit 

Persisch gehört zu den wenigen Sprachen weltweit, die gleichzeitig mit mehreren Namen in Verbindung gebracht werden. Diese sind Farsi für das Persische in Iran, Dari für Afghanistan und Tadschikisch für Tadschikistan und Usbekistan. Grundsätzlich muss zwischen diesen o. g. drei Namen als Eigenbezeichnungen und dem Oberbegriff Persisch als Fremdbezeichnung unterschieden werden. Immer wieder kann aber beobachtet werden, dass im deutschen oder auch englischen Sprachgebrauch nicht immer auf korrekte Weise zwischen den Namen des modernen Persischen differenziert und von linguistisch falschen Thesen ausgegangen wird. Die Tendenz geht insgesamt dahin, dass der Name „Farsi“, welcher die Entsprechung für das Wort „Persisch“ darstellt, zunehmend mehr als „Persisch“ verwendet wird. Auch „Dari“ und „Tadschikisch“ werden häufiger in Abgrenzung zum „Persischen“ verwendet. „Persisch“ seinerseits ist mehr im historisch-wissenschaftlichen Sprachgebrauch anzutreffen, während „Farsi“ in journalistischen, modernen literarischen und alltagssprachlichen Texten zu finden ist. Warum das so ist, soll nicht hier behandelt werden. Stattdessen soll über die häufige von Außenstehenden gestellte Frage nachgedacht werden: Wie heißt denn nun die heutige Sprache der Iraner, Afghanen oder gar Tadschiken richtig? Für die meisten Menschen aus den persophonen Ländern ist die Frage leicht zu beantworten, besonders für die Iraner, nämlich „Farsi“ oder in ostpersischer Aussprache „Forsi“. Wenn man aber diese Antwort zu umgehen versuchen würde, wäre dann die alternative Antwort „Zabane Moshtarak“ („die gemeinsame Sprache“) oder wie die Tadschiken sagen, „Zaboni Nijokon“ („die Sprache der Vorfahren“). Auch in diesen beiden letztgenannten Fällen geht man von einer gemeinsamen Sprache aus, die theoretisch auch einen gemeinsamen Namen haben sollte, um Missverständnisse vorzubeugen. Aber so leicht ist die Sache nicht, wie sie vielen scheint. 

Trotz dieses vermeintlichen Konsenses birgt die Frage nach dem richtigen oder echten Namen einen sprachpolitisch-identitären Streit, dessen offizieller Beginn auf die 1920er Jahre im sowjetischen Zentralasien zurückgeht, wo Persisch zum ersten Mal offiziell umbenannt wurde. Interessant ist an dieser Stelle zu beachten, dass in sprachhistorischer Hinsicht auch sehr lange vor den 1920ern die gemeinsame Sprache der persophonen Völker nicht durchgehend mit einem einzigen Namen und vielmehr mit mehreren Namen bezeichnet wurde. Fakt ist aber, dass von den alten Namen schließlich der Name „Parsi“ bzw. dessen arabisierte Form „Farsi“ am geläufigsten war. Ein ähnlicher Namensstreit scheint übrigens in der Geschichte der persischen Sprache und Literatur nicht gegeben zu haben. Er ist ja ein modernes Phänomen nationalistischer Natur: Erst im 20. Jahrhundert, d. h. entlang der Entstehung neuer Nationalstaaten neben Iran, bis 1935 Persien genannt, entstand aus einem sprachhistorisch nicht brisanten Problem eine sprachpolitische Notwendigkeit, also die der Umbenennung dieser Sprache in Zentralasien und Afghanistan vom Persischen zum Tadschikischen und zu Dari und zwar ohne den Zusatz „Persisch“ wie etwa in „Dari-Persisch“ oder „Tadschikisches Persisch“. 

Dieser Umstand der Dreinamigkeit des Persischen trotz des Konsenses der Einsprachigkeit wird seither immer wieder von den Kulturaktivisten der drei Länder gerne öffentlich thematisiert und zur Diskussion gestellt. Für viele ist diese Dreinamigkeit in Einsprachigkeit wohl ein Widerspruch in sich. Beim näheren Betrachten ist das kein solch einfacher Widerspruch, wenn man die Bedeutung der kulturellen Identität und die damit einhergehenden Probleme in der Geschichte und Gegenwart bedenken würde. Diesen scheinbar widerspruchsvollen Umstand der Dreinamigkeit in Einsprachigkeit kann man in wenigen Worten vielleicht so erklären: Ungeachtet der kolonialistisch-imperialistischen Kulturpolitik der Sowjets und Briten, die für den Umstand der zumindest namentlichen Sprachabspaltung entscheidend waren, genau so entscheidend – wenn nicht mehr – war und ist der Wille nach Modernisierung und nach kulturnationalistischer Autonomie der Tadschiken und Afghanen von einem kulturell sehr affinen, hegemonialen Nachbarland Iran. Gleichzeitig kann man vielleicht auch behaupten, dass von der tadschikischen und afghanischen Seite – zumindest von der alten Kulturelite – alte Ohnmachtsängste aus der Zeit der Fremdherrschaft auf Iran als eine potenzielle Kolonial- und Kulturmacht projiziert werden. Und diese Ängste werden verstärkt, wenn man von der iranischen Seite immer wieder den gewiss wohl gemeinten Ratschlag der Rückkehr zur alten Kultur hört, ohne dass diese die historischen Befindlichkeiten der Tadschiken und Afghanen tiefgreifend berücksichtigen. Erst in diesem Kontext wird die Nähe-und-Distanz-Suche in den Kulturbeziehungen der persophonen Länder nachvollziehbar und der Umstand der Dreinamigkeit in Einsprachigkeit zum Dauerumstand.

Quelle: Für eine wissenschaftliche Übersichtsdarstellung in englischer Sprache über die Sprachen in Afghanistan, siehe hier. Und im Falle des Tadschikischen in Zentralasien, siehe hier.


Beitrag veröffentlicht

in

von

Kommentare

Schreibe einen Kommentar

Deine E-Mail-Adresse wird nicht veröffentlicht. Erforderliche Felder sind mit * markiert