Von „Farsi“ zu „Dari“: Afghanischen Staatsverfassungen 1992-2021 

Dieser Beitrag greift das Thema des letzten Beitrages auf und behandelt die Frage der Benennung der persischen Sprache in den afghanischen Staatsverfassungen seit dem Ende der kommunistischen Regierung unter der Präsidentschaft von Mohammad Nadschibulllah im Jahr 1992 bis zur erneuten Machtergreifung der Taliban im Jahr 2021. 

8. Gesetze des „Islamischen Emirats Afghanistan“ unter der Herrschaft der Taliban mit ihrem Führer Mullah Mohammad Omar zwischen 1996–2001: Vom Ende der Demokratischen Republik Afghanistans im Jahr 1992 bis zur Gründung des Islamischen Emirats Afghanistan im Jahr 1996 befand sich Afghanistan unter keiner dominanten Macht bzw. Zentralmacht, bis die Taliban 1996 die Hauptstadt Kabul und den Großteil des Landes unter ihre Kontrolle brachten. In dieser Zeit gab es in Afghanistan keine sog. Staatsverfassung in Form eines einzigen Gesetzestextes. Vielmehr bedienten sich die Taliban bei der Machtausübung ihrer Interpretation der islamischen Rechtsquellen, d. h. des Korans als Rechtsgrundlage. Da aber die Taliban paschunischsprachig sind, ist es davon auszugehen, dass sie keine neuartige Sicht auf die Sprache ihrer politischen Rivalen v. a. im Norden und Zentrum des Landes mit sich brachten, als ihre ebenfalls paschtunischsprachigen Vorgänger in den Machtkreisen des Landes. Persisch wurde also sehr wohl auch im offiziellen Sprachgebrauch der (ersten) Regierungszeit der Taliban als „Dari“ bezeichnet.

9. Verfassung vom 6. Dalwa 1382 (26 Januar 2004) in 162 Artikel: Nach der US-geführten Invasion auf Afghanistan als Antwort auf die Terror-Angriffe des in Talibans Afghanistan befindlichen Alqaida-Netzwerks auf die USA am 09.11.2001 war zwischen 2004 und 2021 eine islamische Republik an der Macht, deren erster Präsident bis 2014 Hamid Karzai war. Artikel 16 ist dem Thema der Landessprachen gewidmet. Dieser ist im Vergleich zu den bisherigen Verfassungen der ausführlichste und regulativste Artikel in sprachpolitischer Hinsicht. Er besteht aus fünf Absätzen zu den Teilthemen Amtssprachen, Status der regionalen Sprachen neben den Amtssprachen, staatliche Förderung aller Sprachen, Mediale Verwendung aller Sprachen und schließlich Beibehaltung der geläufigen Wissenschafts- und Administrationsbegriffe. Die persische Sprache wird nach wie vor in der Anordnung nach Paschtunisch und unter der Bezeichnung „Dari“ erwähnt, allerdings zum ersten Mal finden sechs Minderheitensprachen in der 2004-Verfassung Erwähnung. Im ersten Absatz des Artikels 16 heißt es konkret: „Von den Sprachen Paschtunisch, Dari, Usbekisch, Turkmenisch, Belutschisch, Paschaiisch, Nuristanisch, Pamirisch und den weiteren im Land geprochenen Sprachen, sind Paschtunisch und Dari die offiziellen Sprachen des Staates.“

Im kommenden Beitrag wird ein Blick in die neueste afghanische Verfassung seit der erneuten Machtergreifung der Taliban im Sommer 2021 geworfen und der Sprachfrage mit besonderem Blick auf den Namen der persischen Sprache nachgegangen.

Quellen: Afghanische Staatsverfassungen (1923-2004)


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