Über die Nationalhymnen der persophonen Länder – mit besonderem Blick auf Irans Hymne

In den letzten drei Wochen habe ich ursprünglich aus fußballerischem Anlass zunächst die iranische und dann die afghanische und zum Schluss die tadschikische Nationalhymne ins Deutsche übertragen. Diese tragen reihum die aus den Anfangszeilen gewonnenen Überschriften „Sonne des Ostens“, „Das ist der Furchtlosen Haus“ und „“Unser teuerstes Land“. In dieser und den nächsten Wochen werfe ich einen vergleichend-inhaltsanalytischen Blick auf die Hymnentexte.

Was den Textumfang betrifft, ist die iranische Hymne mit 6 Versen die kürzeste und die afghanische und tadschikische mit 18 Versen gleich lang, während die afghanische hinsichtlich der Wortanzahl am umfangreichsten ist. Bemerkenswert ist die Tatsache, dass anders als in Iran und Tadschikistan, die afghanische Nationalhymne nicht in Persisch bzw. Dari, sondern offiziell nur in Paschtunisch existiert, einer ostiranischen Sprache in Südafghanistan und Westpakistan und traditionell der Sprache der politischen Elite und der größten Ethnie des Landes. Der deutschen Übersetzung, die hier vorletzte Woche veröffentlicht wurde, diente deshalb die persische Übersetzung des paschtunischen Originals als Vorlage. Eine andere, für Kenner nicht überraschende Besonderheit bezieht sich auf die Schrift der tadschikischen Hymne, die seit Ende der 1930er-Jahre kyrillisch-basiert ist und nicht perso-arabisch-basiert wie in Iran und Afghanistan. 

Nun zum Inhalt: Laut Brockhaus handelt es sich bei Nationalhymnen um „patriotische Gesänge mit meist populärer Melodie, die als Ausdruck des nationalen Selbstverständnisses gelten“. In Nationalhymnen soll man weniger distanziert als oben gesagt, auch das eigene Land und die Menschen loben und preisen und diese schließlich von der Mehrzahl der anderen Nationen weltweit hervorheben. In diesem Sinne werde ich zuerst die dominanten oder charakteristischen Themen in den Nationalhymnen der drei persischsprachigen Länder ausfindig machen und anschließend diese miteinander vergleichen, d. h. auf Gemeinsamkeiten und Differenzen prüfen. Die hier zu klärende Frage lautet, inwiefern das Selbstverständnis der persischsprachigen Länder anhand ihrer Nationalhymnen variiert.

In der iranischen Hymne ist das dominante Motiv des religiösen Glaubens („فر ایمان“: Glanz des Glaubens) und der göttlichen Wahrheit („حق‌باوران“: Wahrheitsgläubige, Gottesgläubige) eindeutig zu erkennen. Es wird sogar ganz oben im Text erwähnt. Weitere darauffolgende Themen sind die Islamische 1979-Revolution – durch die Hinweiswörter „Bahman“ für den Siegesmonat der Revolution im Winter 1979 und „Imam“ für Ajatollah Khomeini –, Unabhängigkeit („استقلال“) und Freiheit („آزادی“). Das Wort „Iran“ kommt lediglich einmal vor, und zwar als Bestandteil der offiziellen Landesbezeichnung mit der Staatsform in „Islamische Republik Iran“. Erstaunlich ist, dass das Land- bzw. Heimat-Konzept etwa durch entsprechende Wörter wie „خاک“ bzw. „میهن“ nicht versprachlicht werden. Die Hymne ist somit wenig nationalistisch zu deuten und mehr religions- und revolutionsideologisch.

In der kommenden Woche folgt eine ähnliche Inhaltsanalyse der afghanischen Hymne unter den Taliban, die seit Sommer 2021 wieder das Land regieren.

Quellen: Iranische Nationalhymne; Afghanische NationalhymneTadschikische Nationalhymne; Brockhaus-Enzyklopädie


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